Caga Tió (der scheissende Baumstamm)

Traditionen und Bräuche in Katalonien

Andere Länder, andere Sitten und andere Gewohnheiten

Der Caga Tió, der kackende Holzklotz, erfreut die Kinder alle Jahre wieder


Nun lernt man im Laufe seines Lebens so Einiges an seltsamen Dingen und Gegebenheiten kennen und das ist wohl bei einigen Traditionen in fremden Ländern nicht anders. Nun ist Katalonien, nachdem ich schon über 40 Jahre hier lebe, kein fremdes Land mehr aber bei der folgenden Tradition habe ich meine Probleme sie zu verstehen...

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Geschenke, wie bei uns in Deutschland gibt es hier an Heiligabend zumindest offiziell nicht, denn die werden erst am 6. Januar von den drei Königen gebracht.

Für die Kinder gibt es allerdings etwas ganz besonders Beliebtes und das verkürzt die Zeit des Wartens sehr.

Foto: © by Wikipedia

So wird traditionell am 8. Dezember der Caga Tió (der scheissende Baumstamm) ins Haus geholt. Ein Tió (bitte nicht verwechseln mit Tio = Onkel) ist eigentlich nur ein Holzklotz und hier nicht mehr als ein Stück eines dünnen Baumstammes oder eines dicken Astes dem man vorne ein Gesicht gemalt hat und hinten… na ja, dazu kommen wir dann später.

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Dieser bemalte Baumstamm wird dann, damit ihm immer schön warm ist und er sich nicht erkältet, in eine Decke gehüllt und in der Wohnung an einem Ort aufbewahrt, an dem er bis zum Heiligabend verwöhnt wird. So bekommt er jeden Abend Obst, Gemüse, Brot und Nüsse, die er dann über Nacht frisst damit sich sein Magen füllt und er gut zunimmt…

Am Heiligabend wird er dann von Papa und Mama festlich hergerichtet. Er erhält zwei Vorderbeine und für den Kopf eine typische, katalanische Barretina (eine rote Kappe). Darüber wird eine schöne Decke gelegt und anschließend werden die Kinder ins Zimmer geführt.

Caga Tió bedeutet halt nichts anderes als kack Holzklotz und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Katalanen haben mit dem Wort kacken keine Probleme und seine Benutzung ist hier ganz normal. Die Kinder werden alle mit einem Holzknüppel ausgerüstet und dann geht's richtig los.

Nun werden Lieder gesungen und danach immer wieder, zu dem Ruf "caga Tió", auf den Holzklotz eingeschlagen damit der nun wiederum alles Mögliche kackt. Die Ausscheidungen sind dann in den meisten Fällen die hier so beliebten Turrons, Schokolade, Nüsse, Obst, Bonbons und andere Süßigkeiten, sowie kleine Geschenke. Diese werden dann immer wieder und auf wundersame Weise von Papa und Mama unter der Decke hervorgeholt.

Das geschieht solange die Kinder singen und auf den Tió einschlagen. Damit auch immer genug unter der Decke liegt, müssen die Kinder ab und zu den Raum verlassen um ihre Holzknüppel aufzuwärmen… Wenn zum Schluss nur noch Zwiebel oder Knoblauchzehen ausgeschissen werden ist der Tió leer.


Hier der Text eines der vielen Lieder
Caga tió, d'avellanes i de pinyó. Pixa vi blanc de les festes de Nadal. Ara vénen festes, festes glorioses. Menjarem conill i llebres si en tenim.
Caga tió, caga tió, si no vols cagar, et donaré un cop de bastó.

Ubersetzung:
Scheiß Tió, die Haselnüsse und Pinienkerne. Piss Weißwein zum Weihnachtsfest. Jetzt kommt das Fest, das glorreiche Fest. Wir werden, wenn wir haben, Kaninchen und Hasen essen.
Scheiß Tió, scheiß Tió, wenn du nicht scheißen willst, dann werde ich dich mit einem Stock schlagen.


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Der Sage nach, kamen nach Betlehem nicht nur die heiligen drei Könige sondern auch viele Schäfer um das Neugeborene zu sehen. Zwei junge Hirten sahen, dass die Könige Geschenke mitgebracht hatten. Sie selbst hatten aber kein Geschenk für das Baby in der Krippe. Einer der beiden Schafshirten schlug deshalb vor Wut mit einem Stock auf einen umher liegenden Baumstamm ein und siehe da, aus dem hohlen Baumstamm fielen Geschenke…

Wie und wo nun genau diese Tradition entstand und seit wann es sie gibt ist nicht bekannt. Sie existiert allerdings schon seit vielen Jahren und damals wurde sie in der Regel zwischen dem Abendessen am Heiligabend und der mitternächtlichen Christmette (hier heißt sie "Misa del Gallo" = die Messe des Hahns, weil der die Geburt Jesu als erster verkündet hat) zelebriert. Zu damaligen Zeit saß man abends noch in gemütlicher Runde mit der Familie zusammen um sich zu unterhalten…

Heute gehen nur noch wenige zur Christmette und die Unterhaltung übernimmt meist das Fernsehgerät oder der Computer. Umso schöner finde ich, dass solche alten Traditionen auch in der heutigen, schnelllebigen Zeit nicht vergessen werden und so auch weiterhin einen festen Platz in unserem Leben haben!

Anmerkung: Der eine oder andere hat sich vielleicht gewundert über die (für deutsche Ohren) doch etwas gewöhnungsbedürftige, deftige Aussprache der Katalanen. So sind sie nun mal und ich finde nichts Schlimmes dabei. Das habe ich dann auch gleich erfahren, als ich zum ersten Mal vor einer katalanischen Weihnachtkrippe stand. Mehr dazu unter: Der Caganer…


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